Warum wir manchmal einfach nicht anders reagieren können – und wie wir sanfter mit uns selbst umgehen
- Martina Gäde
- 29. Apr.
- 3 Min. Lesezeit

Kennst du das?Du bist in einer Situation, in der du dir wünschst, ruhig und souverän zu reagieren – aber stattdessen wirst du plötzlich wütend, willst weglaufen oder bist wie gelähmt. Vielleicht ärgerst du dich später über dich selbst und fragst dich: "Warum habe ich bloß so reagiert?"
Hier kann uns die Polyvagal-Theorie helfen, unsere Reaktionen besser zu verstehen – und mit mehr Mitgefühl auf uns selbst zu schauen.
Was ist die Polyvagal-Theorie?
Die Polyvagal-Theorie wurde von dem Wissenschaftler Stephen Porges entwickelt. Sie beschreibt, wie unser autonomes Nervensystem (das ganz automatisch im Hintergrund arbeitet) auf Stress und Gefahr reagiert. Dabei gibt es drei Hauptreaktionen:
Fight (Kampf): Wir gehen in den Angriff, werden wütend oder streitlustig.
Flight (Flucht): Wir wollen weglaufen, uns aus der Situation zurückziehen oder fühlen uns innerlich unruhig.
Freeze (Erstarrung): Wir fühlen uns wie gelähmt, können kaum denken oder handeln und ziehen uns emotional zurück.
Diese Reaktionen sind keine bewussten Entscheidungen. Sie sind tief in unserem Nervensystem verankerte Überlebensmechanismen, die uns in gefährlichen Situationen schützen sollen – ob wir es nun gerade wollen oder nicht.
Warum reagiere ich manchmal "über"?
Unser Nervensystem kann manchmal schon auf kleine, scheinbar harmlose Auslöser reagieren, weil es alte Erfahrungen oder Stress gespeichert hat. Vielleicht erinnert dich der laute Ton der Kollegin an eine frühere, unangenehme Erfahrung. Oder ein stressiger Moment ruft eine alte Angst in dir hervor, ohne dass du es bewusst merkst.
Wichtig zu wissen: Diese Schutzreaktionen werden von einem sehr alten Teil unseres Gehirns gesteuert – dem sogenannten Reptiliengehirn. Es ist einer der ältesten Bereiche unseres Gehirns und zuständig für grundlegende Überlebensfunktionen wie Kampf, Flucht oder Erstarrung.Weil diese Reaktionen so tief verankert sind, ist es extrem schwer, bewusst gegenzusteuern – sie passieren blitzschnell und automatisch, lange bevor unser "denkendes" Gehirn überhaupt die Chance hat, die Lage rational zu bewerten.
Beispiele aus dem Alltag:
Du stehst im Supermarkt an der Kasse, es ist voll, jemand drängelt sich vor – und du spürst eine Welle von Wut (Fight).
Im Meeting stellt dein Chef dir eine kritische Frage – und du willst am liebsten sofort den Raum verlassen (Flight).
Jemand spricht dich auf der Straße unerwartet an, und du bist plötzlich wie erstarrt, unfähig zu reagieren (Freeze).
Keine dieser Reaktionen ist "falsch" oder "peinlich". Dein Körper versucht einfach, dich zu schützen – so, wie er es evolutionär gelernt hat.
Was hilft?
Der erste und wichtigste Schritt ist Verständnis und Mitgefühl für dich selbst:
Erkenne an, dass deine Reaktion Sinn ergibt – auch wenn sie vielleicht nicht "perfekt" war.
Nimm deine Gefühle wahr, ohne sie zu bewerten ("Aha, mein Körper fühlt sich gerade bedroht, deshalb reagiert er so.").
Übe dich in Selbstfreundlichkeit: Was würdest du einem guten Freund oder einer guten Freundin sagen, die sich so fühlt? Sag genau das auch zu dir selbst.
Ein kleiner Impuls, der helfen kann:"Es ist okay, dass ich gerade so reagiere. Mein Körper will mich beschützen. Ich darf mir Zeit geben, mich wieder sicher zu fühlen."
Je öfter du dir diese liebevolle Haltung erlaubst, desto mehr stärkst du auch langfristig deine innere Sicherheit – und damit auch die Fähigkeit, in schwierigen Situationen flexibler und ruhiger zu bleiben.
Und wenn du dir auf deinem Weg Unterstützung wünschst, bin ich als Heilpraktikerin für Psychotherapie und Coach gerne an deiner Seite. Gemeinsam können wir herausfinden, wie du deine inneren Schutzmuster besser verstehst, stärkst und neue Wege für mehr Sicherheit und Selbstmitgefühl entwickelst.
Коментарі